Mittwoch und Donnerstag, 17./18. August Kurortne
Weit kommen wir nicht. In Kurortne, ( kein Witz) stehen wir auf der Landzunge zusammen mit vielen anderen Wildcampern. Es gibt eine Toilette und Frischwasser. Oberhalb liegt das Dorf mit den Ferienanlagen. Ganz draussen auf der Landzunge gibt es ebenfalls kleine Hotels, Restaurants und Läden.
Alois nimmt den Ortsnamen wörtlich und reibt sich mit Heilschlamm ein. Mir tut heute nichts mehr weh, zwar riecht der Schlamm nicht so wie er aussieht, aber trotzdem. In der Schweiz gäbe es rund um das Gelände einen Zaun mitsamt einem Kassahäuschen oder es wäre ein Naturschutzgebiet, das nicht betreten werden dürfte.
Am zweiten Tag schläft der Wind ein und gegen Abend gibt es ein kleines Gewitter. Es fängt unangenehm zu riechen an, irgendwas zwischen modrig und kotzig. Morgen fahren wir weiter!
Noch mehr Eindrücke von Lebedevika am Schwarzen Meer in der Ukraine
Freitag, 19. August Dnistermündung
Der Dnistrovs´kyi- Liman ist eine Süsswasserlagune, Salzgehalt zwischen 0.5 und 3 Promille. Im Winter friert sie zu.
Die Festung Akkermann in Bilohorod-Dnistrovs´kyi ( 60´000 Einwohner) ist weithin bekannt. Sie sollte die Grenze Bessarbiens am Fluss sichern. Bereits in der Antike wurde Tira, einer der ältesten Städte der Welt gegründet. Es finden sich neben der heutigen Festung Ausgrabungen davon.
Wir sind nicht die einzigen Besucher. Viele finden den Weg hierher und klettern an den unmöglichsten Stellen rum, obwohl Tafeln mit Danger angebracht sind.
Unterhalb der Festung finden wir den idealen Uebernachtungsplatz. Natürlich bekommen wir auch hier verschiedentlich Besuch, werden fotografiert, befragt und sogar mit einer Melone beschenkt. Alois ist wieder ein Original Schweizer Taschenmesser los. “ Für unsere nächste Reise lassen wir uns kleine Taschenmesser mit unserer Webseite Adresse bedrucken,“ meint Alois.
Auf dem Wasser können wir Pelikane beobachten!
Nach der Dämmerung werden wir und unser Wohnmobil mit kleinen grünen Viechern belagert, die zwar nicht stechen aber trotzdem irgendwie unappetitlich sind.
Samstag, 20. bis 25. August Zatoka
Vormittags können wir es nicht unterlassen auf dem Weingut Shabo vorbeizuschauen. Bereits die Reben lassen erkennen, dass hier jemand mit viel Umsicht, viel Ordnungssinn und viel Interesse am Werke ist. Die Weinstöcke stehen in riesigen Anlagen in Reih und Glied. Sind sauber geschnitten und kein bisschen Unkraut zeigt sich zwischen den Reben. Schweizer haben 1822 das Weingut gegründet. Es ist inzwischen wieder privatisiert, vermutlich gehört es nun Georgiern, da es auch georgischen Wein im Laden und georgische Speisen im Restaurant gibt?!
Für 20 Euro schlagen wir für hiesige Verhältnisse über die Stränge: essen Borschtsch , Cäsarsalat, Lachs und Schaschlik. Danach geht’s in den Laden.
Vorbei an „Rimini“ eigentlich Zatoka.
Auf dem 1 km breiten Damm entdecken wir tatsächlich auf der Lagunenseite einen Campingplatz. Der erste seit vier Wochen. Für 6.20 Euro checken wir ein und schliessen den Strom an. Eigentlich haben wir uns ohne Campingplatz inzwischen gut organisiert und eingerichtet. Doch wie schön, nach zwei Stunden ist der Kühlschrank kalt und die darüberliegende Arbeitsfläche heiss! Wir können gerade noch rechtzeitig die kalten Getränke aus dem Gefrierfachfach retten, ( das als einziges noch die Butter und die Getränkedosen kalt hielt), bevor diese zu Eis werden, resp. explodieren.
Die Toiletten ( Löcher im Boden) brauchen wir nicht, dienen aber gut zum leeren unserer Kassette. Die vorhandenen Duschen brauchen wir auch nicht, Wasser zum Befüllen unseres Tanks gibt es ja genug.
Hier stehen nebst kleinen Zelten auch zwei ukrainische Wohnwagen und ein ukrainisches Wohnmobil. Gegen Abend kommen doch tatsächlich noch zwei Fahrzeuge aus Süddeutschland an. Wir sind nun wieder einer unter „ vielen“.
Zwischen uns und dem Meer liegen eine vielbefahrene Strasse und die Eisenbahn. Die Menschen hasten mit Sack und Pack über die Strasse und die Gleise. Die Autos und Lastwagen rasen hupend vorbei. Die Güter-, und Personenzüge können natürlich auch nur das Horn betätigen. Alois:“ Stell dir das mal bei uns vor, undenkbar.“ „ Ja und mir graust es.“ Wir baden sowieso auf der ruhigeren Lagunenseite. Muss aber nochmal da rüber um Beweisfotos zu machen.
Wenn einer eine Reise tut, so kann er was erleben.
Am Sonntagabend eine Stunde nach dem Essen, geht es Alois nicht mehr gut. Er klagt über ein Vollegefühl und Uebelkeit, will auf die Toilette, kollabiert und liegt kopfüber hälftig aus dem Wohnmobil. Sofort sind Camper da die mir helfen ihn ausserhalb zu lagern. Alois kommt wieder zur Besinnung, er weiss nicht was geschehen ist. Sein Puls rast und der Blutdruck ist im Keller.
Ich möchte, dass die Ambulanz gerufen wird. Alois will nicht. Ich:“ Call ambulanz, dottore please.“ Jemand ruft an. Nach ein paar Minuten steht Alois auf und bricht erneut zusammen. Er erbricht sich und kann dann auf die Toilette, starker Durchfall.
Nach einer Viertelstunde ist die Ambulanz da. An Ort und Stelle wird ein EKG gemacht, zum guten Glück kein Herzinfarkt. Die Aerztin will ihn mitnehmen. Alois will nicht, ich will. Im Krankenwagen wird ihm eine Leitung gelegt und ab geht es mit Blaulicht und Gerumpel nach Bilhorod- Dnistovs´kyj. Was wir nicht wissen.
Im Spital wird ihm Blut genommen, Stuhl und Urin untersucht. Verschiedene Medikamente laufen durch die Infusion. Mir wird das zweite Bett zugewiesen. Dreimal werde ich zur Apotheke auf dem Komplex geschickt um Medikamente, Spritzen, Tupfer, Desinfektionsmittel, etc. die auf einen Zettel geschrieben sind, Toilettenpapier und eine Flasche Wasser, alles gegen Barzahlung zu holen. Die Verständigung ist nicht ganz einfach, denn niemand spricht englisch, geschweige denn deutsch. Obwohl alles sehr einfach, fast primitiv anmutet, wird Alois vom komplett aus Frauen bestehenden Team sehr kompetent und einfühlsam behandelt.
Am nächsten Vormittag fühlt sich Alois ein bisschen besser und so möchten wir das Spital verlassen. Die Aerztin ruft mich zu sich, sie zeigt mir die Analyseblätter und erklärt mir, so reime ich mir das zusammen: “ Sie könne uns nicht aufhalten, aber es sei noch gar nicht gut, er soll doch hier bleiben.“ „ Ok, noch eine Nacht. Ich brauche ein Taxi, damit ich zum Camper kann, Kleider und Hygieneartikel zu holen.“ Sie rufen ein Taxi, erklären dem Fahrer dass ich auf den Campingplatz will, schreiben mir auf was es kostet ( 10 Euro) und ich fahre mit Uebelkeit verursachendem Volltempo zurück nach Zatoka. Erst bei der Ausfahrt aus der Stadt weiss ich wo wir hier eigentlich gelandet sind. Mit einem Taxi zurück zum Spital will ich auf keinen Fall!
Die Erst-Helfer werden mit dem in Shabo gekauften Vodka und Wein versorgt. Sie erkundigen sich nach Alois und wollen mir helfen den Camper abfahrtsbereit zu machen. Danke vielmals aber ich mache es selber.
Nach einer Stunde ist alles gepackt, geleert und gefüllt. Ich verabschiede mich und fahre los bis Zatoka. Autos überall, Lastwagen, Reisebusse, geparkte Autos und ich streife eines derselben. Es reden alle auf mich ein und wollen mir helfen. Der Fahrer des PKW steht mit seinem Aussenspiegel vor mir. Ich weiss, dass ich Schuld habe und erkläre, dass ich die Polizei brauche, zwecks Erstellung eines Protokolls für die Versicherung. Nach zwei Stunden, erklären die Polizisten, dass ich den Camper auf einem Parkplatz stehen lassen soll und sie mich zu meinem Mann ins Hospital bringen. Meinen Camper, wieso? Sie sprechen kein Englisch machen sich während der Fahrt mit Google Translater verständlich. „ Sie bekommen eine Busse von 100 - 150 Euro.“ „ Was?“ „ Neues Gesetz von Regierung.“ Ich verdrücke zwei Tränen. „ Wir werden ein gutes Wort für sie einlegen beim Richter.“ Ich schluchze. „ Wenn sie uns helfen das Büro zu reparieren, helfen wir ihnen.“ Es steht keine Zahl mehr auf dem Smartphone. Wir stehen beim Spital. Ich bekomme meine Dokumente wieder und gebe den Polizisten eine kleine freiwillige Spende ( 15 Euro). Das Protokoll darf ich fotografieren und weg sind sie.
Alois reagiert, wie es seine Art ist, sehr gelassen. Zum Glück.
Am Dienstag wollen wir nun endlich auschecken. Die Aerztin erklärt, dass die Antibiotika 5 Tage eingenommen werden müssen und die Spritzen in den Popo verabreicht werden können. Sie schreibt einen kurzen Austrittsbericht ( Computer gibt es nicht). Rechnung kriegen wir keine, zu zahlen gibt es nichts ( Rettungswagen, Spitalaufenthalt?) Wir fragen mehrfach nach, möchten zahlen. Njet! Nach langem hin und her nimmt die Aerztin wenigstens eine kleine Spende an, bestellt uns ein Taxi und wir können zurück nach Zatoka. In der Apotheke haben wir insgesamt 50 Euro ausgegeben.
Dort holen wir den Camper vom Parkplatz ab und stellen uns wieder auf den Campingplatz.
Alois ist wieder fast wie neu und schimpft über die Spritzen. „Wir haben sicher Glück im Unglück gehabt. Wären wir nicht auf dem Campingplatz gestanden, sondern irgendwo in der „ Wildnis“, wäre es schwieriger gewesen. „ Alois: „ Dann wäre das vermutlich alles nicht passiert.“ So sind die Sichtweisen verschieden.
Heute Mittwoch ist der Unabhängigkeitstag ( Nationalfeiertag), viele junge Leute mit Zelten sind angekommen und bis jetzt ist alles ruhig. Wir hoffen für die Ukrainer, dass es so bleibt. Wir werden auf jeden Fall noch etwas hierbleiben, damit sich Alois erholen kann und wir die weitere Lage beurteilen können.
Gegen Abend kommt Sturm auf wir tragen seit …? mal wieder eine Langarmjacke. Schade für die ausgelassenen und fröhlich feiernden jungen Leute.
Donnerstag, 25. August Zatoka
Nach zwei Tage Entspannung, Reis-, und Nudeldiät ( Kein Fleisch und Salat), geht es morgen weiter nach Odessa ins Getümmel, zumal die Menschen um uns herum Gelassenheit und Ruhe ausstrahlen.